Blindflug by Stella Conrad

Blindflug by Stella Conrad

Autor:Stella Conrad
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Herausgeber: PeP eBooks


KAPITEL 33

Timo radelte langsam durch den Park, in dem er mittlerweile jeden Grashalm, jeden Baum, jede Bank und vor allem jeden Hundebesitzer samt Hund kannte, schließlich hielt er sich täglich hier auf. Bald würde das neue Schuljahr beginnen, und dann würde sich die Zeit, die er hier verbringen konnte, stark verringern. Umso wichtiger war es, dass er noch so viel wie möglich aus den letzten Tagen herausholte. Er umrundete den Ententeich und stieg vom Rad, als er seine Lieblingsbank erreichte, die zu seiner Erleichterung nicht, wie sonst manchmal, belegt war. Die Bank war perfekt. Von hier aus konnte er die gesamte Hundewiese überblicken, ohne dass er auffiel, denn aus der Perspektive der Hundebesitzer war sein Beobachtungsposten durch einen blühenden Busch halb verdeckt.

Timo öffnete seinen Rucksack und holte die Plastikdose heraus, die er ständig bei sich trug und jeden Morgen mit frisch gemachten Leberwurstbroten füllte. Seine Mutter hatte sich über seine plötzliche Vorliebe für Leberwurst schon gewundert. Heute Morgen hatte sein Vater ihn dabei überrascht, wie er die Wurst fingerdick auf ein paar Schnitten Brot verteilte und diese dann zusammengeklappt in die Dose schichtete.

»Was hast du damit denn vor?«, hatte sein Vater gefragt.

»Ich will in den Park. Das ist mein Proviant«, hatte Timo geantwortet und gebetet, dass sein Vater nicht misstrauisch würde. Aber der hatte nur den Kopf geschüttelt und gefragt, ob er nicht ein paar Brote mit Käse belegen wolle, »damit es nicht so eintönig wird, Junge.«

Timo hatte sich beeilt zu versichern, dass Leberwurst sein absoluter Lieblings-Brotbelag sei, und sich dann schnell verabschiedet.

Er stellte die Dose neben sich auf die Parkbank und holte sein kleines Notizbuch heraus. Während er in eine Leberwurstschnitte biss, blätterte er das Büchlein auf und kontrollierte die Liste, in der er sorgfältig festhielt, was er wann für wen getan und wie viel Geld er dafür bekommen hatte.

Bisher hatte er für seine Oma vierzehn Mappen angefertigt, machte zusammen hundertvierzig Euro. Außerdem hatte er vier Hunde gefunden und an ihre Besitzer zurückgegeben, machte eine Spielekonsole plus insgesamt zweihundert Euro Finderlohn von den glücklichen Hundebesitzern. Von dem Cockerspaniel und dem Pudel hatten sie zu Hause Gott sei Dank nichts mitbekommen, er war mit den Hunden, die ihre Adressen auf einem Anhänger am Halsband trugen, einfach für ein paar Stunden in einen anderen Park gegangen und hatte sie dann direkt bei ihren Besitzern abgeliefert. Selbst die Nachbarn, die seine Dienste als Aushilfsgärtner eigentlich nicht benötigten, gaben ihm kleine Aufträge, weil sie es unterstützenswert fanden, dass er, der kleine höfliche Junge, sein Taschengeld aufbessern wollte.

Er bewahrte sein Vermögen in seiner kleinen Piratenschatzkiste auf, die einen Totenkopf auf dem Deckel und ein Geheimschloss hatte, das nur er öffnen konnte. Bisher hatte er sage und schreibe fünfhundertvierzig Euro verdient. Das wusste er so genau, weil er nicht nur sein Büchlein akribisch führte, sondern auch jeden Abend mit großem Vergnügen sein Geld zählte.

Hinter ihm, im Gebüsch, raschelte es. Eine schnüffelnde Hundenase tauchte aus den Blättern auf und nahm Kurs auf seine Brotdose, die geöffnet neben ihm stand und Leberwurstdüfte aussandte. Zur Nase gehörte ein mittelgroßer, gefleckter Hund mit fransigen Fledermausohren.



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